(von Ulrich)
Am Montag, dem 11.7., nutzten wir erst einmal aus, daß niemand mit dem Frühstück auf uns wartete, und ließen uns Zeit mit dem Aufstehen. Das tat mal gut. Auch die Tatsache, dass es „nur“ Cornflakes und Toast + Marmelade gab und uns niemand Speck o.ä. aufdrängte, war mal wieder sehr angenehm!
Das Ziel des Tages hieß Midleton. Das ist eine kleine Stadt östlich von Cork, in der die Jameson-Whiskeybrennerei beheimatet ist. Neben dem neuen Betriebsgelände gibt es noch die alte, seit Olims Zeiten bis 1975 verwendete Fabrik, die nach gründlicher Renovierung dazu dient, daß unter dem erschreckend dämlichen Namen „The Jameson Experience“ Besucher gegen einen nicht übermäßig bescheidenen Eintritt über die Kunst der Whiskey-Herstellung informiert und ihnen Produkte und Devotionalien des Hauses feilgeboten werden. Der Schreiber dieser Zeilen war seit 5 Jahren nicht mehr dortgewesen – höchste Zeit also, die verstaubten Kenntnisse wieder einmal aufzufrischen.
Die Fahrt war unspektakulär. Die Vorliebe der hiesigen Verkehrsplaner für Kreisel kann einem ziemlich auf die Nerven gehen, spätestens wenn mehrspurige Kreisel (gern auch noch mit Ampeln) in Kombination mit unlogischer, zu später oder anderweitig unzureichender Beschilderung auftreten. Zum Glück sind die meisten Autofahrer hier ziemlich geduldig…
Midleton ist eine ganz hübsche Stadt, leider aus Autofahrersicht etwas anstrengend. Das liegt einerseits daran, daß erheblicher Durchgangsverkehr sich durch ihre Hauptstraße wälzt (ein großes bis sehr großes Problem in vielen Städten hier, ich komme sicher noch öfter drauf), andererseits an einem üblen Mangel an Hinweisschildern. Z.B. auf die „Jameson Experience“ (blöder Name, nicht?), die eine der größten Attraktionen für auswärtige Besucher sein dürfte, weist ein Hinweisschild erst direkt an der Zufahrtsstraße hin… Und selbst da steht es so weit zurückgesetzt, daß man es eigentlich erst dann sieht, wenn man mit Rücksicht auf nachfolgenden Verkehr nicht mehr so scharf bremsen kann, daß man die Abbiegung noch schafft. Zum Glück stellte sich beim Schreiber dieser Zeilen die Erinnerung an den Ort gerade noch so rechtzeitig ein, daß er des Schildes nicht bedurfte und ohne Gefährdung anderer auf die Zielgerade einbog. Ebendort begegnete uns der erste – wahrscheinlich kontinentale – Geisterfahrer unserer Tour, der uns zudem auch noch empört anglotzte, als wir nicht von der linken Straßenseite weichen wollten (wohl doch ein bisschen zu viel Whiskey verkostet?..)
Jetzt waren wir zwar bei Jamesons vor der Tür, aber zunächst mal gelüstete es uns nach einem Käffchen und einem Internet-Café, um die Welt mit neuen Bildern und Geschichten zu beglücken. Also gingen wir durch die Hauptstraße und musterten die Läden nach irgendeinem Hinweis auf Internet-Zugang (Kaffee war unproblematisch, es gibt sehr viele Bars). Leider vergeblich, wir sahen nur ein recht heruntergekommenes Etablissement mit ein paar Rechnern im hinteren Bereich, an denen Zettel klebten, daß das Anschließen von USB-Sticks unerwünscht sei. Pech, so war leider kein Geschäft mit uns zu machen.
Die Hauptstraße einmal ganz runter, eine Nebenstraße (am lokalen Fließgewässer entlang, halbwegs hübsch) wieder rauf, dann steuerten wir eine Bar an und tranken 2 Espresso (jeder einen). Der Espresso ist hierzulande übrigens durchweg sehr ordentlich (gelegentlich mit leichter Tendenz zu „Marke Herztod“). Ich fragte die Dame in der Bar (ich nenne sie mal nicht „Bardame“), ob sie von einem öffentlichen Internet-Zugang am Ort wisse. Sie empfahl uns die Stadtbücherei, ein paar Häuser weiter. Klar, man hätte drauf kommen können, daß es auch zivilisierte Länder gibt, in denen öffentliche und private Einrichtungen öffentlichen Internet-Zugang anbieten können, ohne, im Gegensatz etwa zu Deutschland, mit mindestens einem Bein (des Geschäftsführers o.dgl.) vor dem Kadi zu stehen…
Hinein in die Bibliothek, eine recht „übersichtliche“, im wesentlichen aus einem Raum bestehende. Da lockten ein paar Rechner, die nach Internet aussahen. Die nette Dame an der Theke meinte, die seien zwar eigentlich nur für registrierte Benutzer, aber wir dürften sie ausnahmsweise auch benutzen. So war das Blog weitergekommen (trotz altem Internet-Explorer und doofem Minibildschirm, der das Ganze etwas mühselig machte), Kaffee hatten wir auch gehabt – jetzt waren wir bereit für die „Jameson Experience“ (nee, wie blöd, der Name).
Mit schlappen 13 Euro pro Nase waren wir dabei (es wäre interessant, ob die Marketing-Abteilung von Jameson ein Ausgabe- oder ein Einnahmeposten ist). Nach deren Entrichtung lungerten wir bis zum Beginn der nächsten Führung im Shop herum und freuten uns an den vielen Jameson-Dingen, die wir nicht zu kaufen brauchten (Golfbälle, Flachmänner, Kleidungsstücke, Hüte…)
Gerade als die Führung beginnen sollte, drängte sich eine Gruppe von vielleicht 20-25 Leuten zur Tür herein, offenbar eine Busladung. Einige Minuten geschah nichts Erkennbares, dann erschien eine Dame und verkündete auf Deutsch, die deutsche Führung beginne jetzt. Die Gruppe sammelte sich alsbald, und auch wir stellten uns dazu – schließlich hatte niemand gesagt, das sei eine Exklusiv-Führung für die angemeldete Gruppe. Es erwies sich übrigens, daß die Gruppe aus Wien war, nicht frei von Peinlichkeit, wie solche Gruppen wohl immer sind, aber doch mäßig; ich habe eigentlich nichts gehört, um dessentwillen ich mich hätte fremdschämen müssen, wären das meine Landsleute gewesen (nicht so wie neulich die muntere Corona von Deutschländern in Tralee im Pub).
Die Führung lief ziemlich zügig (ich hatte sie länger in Erinnerung), aber etliche Österreicher und wir wissen jetzt, wie man Whiskey macht, worin sich irischer Whiskey vom schottischem und amerikanischem unterscheidet (irischer wird dreimal destilliert, schottischer zweimal, amerikanischer einmal; beim schottischen wird das Gerstenmalz über offenem Torffeuer getrocknet, beim irischen ohne Kontakt mit dem Rauch, außerdem mit Anthrazit anstatt Torf, beim amerikanischen weiß ich’s nicht; irischer – und wohl auch schottischer – reift in alten Portwein-, Sherry- oder Bourbon-Fässern, für den amerikanischen werden neue Fässer verwendet), was der Engels-Anteil ist (der Teil, der im Laufe der 4- bis 20-jährigen Reifung verdunstet), in welchem Haus der jetzige Brennmeister „geboren und gewuchst“ ist (nett, nicht wahr? Die Führerin sprach eigentlich gut Deutsch, aber gelegentlich kam ihr so etwas unter) und vieles andere mehr. Am Ende gab es für jeden ein Glas Whiskey, pur, mit Eis <naja>, mit Wasser <schauder> oder mit Preiselbeersaft <ganz annehmbar bzw. gefährlich lecker – aber ich bleibe doch lieber beim ganz puren ohne irgendwelche Fremdstoffe>.
Dem erfolgreichen Lernen folgte das Fiasko des Tages. Nachdem ich neulich mal geäußert hatte, daß ich unbedingt einmal Fish & Chips essen müsse, lud Eva mich auf diese insulare Delikatesse ein. Auf der Hauptstraße gab es einen Laden, in dem man so etwas bekam; also hinein! Es handelte sich, wie an mehreren Stellen im Innern ausgehängt, lt. einem Test der örtlichen katholischen Jugend um „Midleton’s best chipper“, zumindest die Pommes versprachen also einen exzeptionellen Genuß. Im Wettbewerb um den Titel „Midleton’s friendliest chipper“ müssen sie knapp unterlegen sein, die Tante hinter der Theke glänzte durch ausgesuchte Muffeligkeit. Mit Fish & Chips unterm Arm und Hunger im Bauch eilten wir zurück zur „Experience“, in deren Nachbarschaft ein kleiner Park liegt, dessen Bänke zum Verspeisen der erstandenen Köstlichkeiten wie gemacht schienen. Oh je! Der Fisch schmeckte nach nichts, offenbar war weder das verblichene Tier noch die Panade jemals mit irgendeiner Würz-Substanz in Berührung gekommen; man hätte das ganze Ding mit Marmelade bestreichen können, ohne daß es zu geschmacklichen Ungereimtheiten gekommen wäre. Die Pommes hatten dafür des Salzes etwas zu viel, schienen im übrigen nach englischem Rezept zubereitet worden zu sein; vor vielen Jahren haben zwei Freunde und ich auf einem England-Urlaub beschlossen, diese Nahrungsmittel nur noch als „Fettschwämmchen“ zu bezeichnen. Okay, was den Geschmack betrifft – die Muffeltante hatte uns außer Salz auch noch Essig angeboten, vielleicht hätte der dem Fisch eine persönliche Note gegeben… Unentwegt an arme Negerkinder denkend (insbesondere daran, daß denen nicht geholfen ist, wenn wir ungesund leben), stopften wir einen nicht unwesentlichen Teil des Festmahls in den Müllkübel neben der Parkbank und fuhren mürrisch unserer Wege.
Jetzt mußte alternative Nahrung her, insbesondere für Eva, die sich dem Fisch-und-Pommes-Genuß konsequenter verweigert hatte als ich. Also fielen wir im nächsten Supermarkt in die Obstabteilung ein. Die darauf folgende Suche nach einem schönen Platz am Meer war schwierig, weil – wie schon erwähnt – die Ausschilderung in Midleton miserabel ist und zu den Orten bzw. Straßen, die auf der Karte standen und dort nett auszusehen versprachen, einfach keine Hinweisschilder existierten; überdies war starker Verkehr. Aber irgendwann war auch dieses Problem gelöst, und wir fanden uns auf einem hübschen kleinen Platz in einem hübschen kleinen Dorf an einer Meeresbucht (schade nur, daß öfter Lastwagen vorbeigepoltert kamen). Die Sonne, die sich zuvor sehr rar gemacht hatte, kam jetzt auch heraus, und alles war wunderbar.
Der Abend war schön wie gehabt – Zusammenhocken mit der örtlichen Verwandtschaft mit gemeinsamer Vernichtung von Wein und Whiskey… 🙂
(von Eva)
Unsere Reiseroute:
Rosemarie und ihr sehrsehr süßer Hund Sam (ein benachbarter Bauer hat zum Verscheuchen der Krähen von seinem Gerstenfeld einen Böller installiert, der das arme Tier in Angst und Schrecken versetzt hat)
Midleton: Die hiesigen Damen dürften von ausgesprochener Schönheit sein!
Ein Schönheitssalon für Zombies?
Nur was für harte Fälle…
Die öffentliche Bibliothek mit der netten Bibliothekarin 🙂
Ulrich am Beginn der „Jameson Experience“
Ich bei einer großen Brennblase (Brandblase?)
Ein alter Jameson-Laster
Das große, für das Whiskeybrennen ganz furchtbar wichtige Wasserrad
Riesige Fässer, die sog. Wash enthalten, ein Anfangsstadium der Whiskeyproduktion (irgendwas mit gärender Gerste)
Ein Wägelchen der eigenen Jameson-Feuerwehr
Fässer, in denen der Whiskey reift
Interessante Anleitung zur ersten Hilfe bei Stromunfällen (wieso eigentlich nicht bei Alkohol-Intoxikation?), leider stand keine Jahreszahl dabei: Anfangs alles wie gewohnt, Verletzten vom Strom weg und so, aber dann sollte der Patient in Bauchlage gelagert und durch Druck auf den unteren Rippenabschnitt beatmet werden… Na, wenn das mal gut gegangen ist…
Drache und ich auf einem Whiskeyfass
Schaf und Drache beim Whiskeyverkosten (links in der für Mädchen trinkbaren Form mit Cranberry Juice, rechts straight für echte Männer bzw. Drachen ;->)
Bei unserem zweiten Mittagessen, nach ein paar Vitaminen vor dem plötzlichen Verfetten gerettet!
Auf der anderen Straßenseite: Mäßig originelle Architektenleistung und ein Pub am Meeresufer
Ballinrostig is ja schon ein cooler Ortsname…
…noch witziger find ichs allerdings, dass die dort auch noch einen Oldtimer-Club haben!
Bei Rosemarie: Kuschelhund Missie auf einem ihrer Lieblingsplätze
Rosemaries Bruder Normie, seine Frau Ann und ich
Missie hats geschafft, sich den ganzen Abend lang in den Mittelpunkt zu kuscheln!
Rosemarie beim Ausschenken einiger „Tropfen“ Whiskey
Rosemaries Mann John
Missie bewacht das Whiskeyglas ihres Herrchens
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